Dienstag, 18. November 2014

Hallo Messerfans,
wer ein gutes Taschenmesser besitzt, der sollte es auch schleifen können. Hier einmal die Vorgehensweise beim schleifen.
Alles was wir für den Schliff einer Klinge brauchen:
Eine Klinge
Schleifmaterial
So, den Rest brauche ich ja wohl nicht erklären - einfach schleifen...
...
Wie, es ist noch was unklar!?!
Na dann eben ein wenig ausführlicher ;-)
Zunächst möchte ich kurz auf das Klingenmaterial eingehen. Es gibt gute und schlechte Klingen - wodurch unterscheiden sich diese nun?
Denken wir also einmal extrem und nehmen eine "Klinge" aus weichem Plastik. Ausser einer erfrischenden Scheibe Wasser werden wir nicht viel damit abschneiden können. Dann gehen wir in die andere Richtung und ergreifen eine Klinge aus sehr hartem Keramik (Die gibt es ja wirklich) Damit können Sie sogar Glas schneiden und man könnte denken, dass dies doch eine optimale Klinge sei. Tatatata, versuchen wir mal, uns damit ein Butterbrot mit harter Butter direkt aus dem Kühfach zuzubereiten. Bereits beim ersten Versuch, den Butter mit der Klingenseite aufs Brot zu drücken, würde fatal enden - Knacks - ab - und Tschüss. Das Messer würde sofort in die ewigen Jagdgründe
der Schneidewaren eingehen.
Die Klinge ist nämlich nicht nur hart, sondern auch extrem spröde...
Tja, was nehmen wir jetzt - Keramisierte Hartpappe? Nein, es gilt einfach, eine perfekte Symbiose aus Härte und Elastizität zu finden. Wir brauchen aber jetzt nicht selbst zu suchen, sondern auf den 12c27?er Stahl zurückgreifen. Dieses Material ist einfach mit das Beste, was es für (Taschenmesser-) Klingen gibt. Für andere Messer, wie z. B. Filetiermesser muss der Stahl ein wenig weicher und als Federstahl ausgelegt sein, denn diese werden ja richtig gebogen und müssen wieder in die gerade Form
zurückkehren. Beim 12c27?er Stahl würde die Klinge aber brechen.
Die Forge de Laguiole hat angeblich den 12c27?er weiterentwickelt, verbessert und nennt diesen T12. Was kann aber mittiger, als die Mitte sein?!?
Wir gehen also davon aus, eine qualitativ hochwertige Klinge in den Händen zu haben - jetzt wollen wir sie richtig scharf machen.
Jetzt wird es ernst (sofern ich das hinbekomme ;-)
Als erstes gilt es nun, der Klinge einen Grundschliff zu verpassen. Dazu eignet sich das Lansky ( <iframe width="560" height="315" src="//www.youtube.com/embed/wfv5m_722wc" frameborder="0" allowfullscreen></iframe> )hervorragend, denn wir können den Winkel nicht nur wählen, sondern diesen auch sehr gut erkennen. Später müssen wir uns nämlich daran erinnern. Sie sehen, das Messerschleifen auch ein gutes Gehirntraining ist.
Wir spannen das Messer in das Lansky-Set ein und streichen nun mit dem Stein immer in Richtung Fase über die Klinge. "Fase, was soll das denn sein?" Als Fase  bezeichnet man den Teil der Klinge, der nun den zuvor gewählten Winkel aufweist - also den untersten Millimeter. Diese Fase ist es, die das Messer scharf macht.
Wenn wir nun die Klinge befühlen, dann macht diese zwar einen scharfen Eindruck, aber der täuscht - Unter dem Microskop würden wir eher eine Säger zu erkennen glauben!
Fast alle Messerbesitzer hören hier mit der "Arbeit" auf, denn das Messer ist ja soooo gut geschärft.Eine Säge fühlt sich auch scharf an, aber versuchen Sie mal, damit einen sauberen Schnitt in weichem Material durchzuführen. Ein weiterer Nachteil, wenn man hier das schleifen beenden würde, wäre der sogenannte "Draht", den wir unserer Klinge selbst angeschliffen haben. "Ein Draht? Wo kommt denn jetzt ein Draht her?
Der Draht ist nichts anderes, als die unterste Stelle der Klinge. Wir haben die Klinge ja sozusagen nach unten zugespitzt und diese Spitze muss
irgendwie enden. Da der Schleifstein aber das dünnste Ende der Klinge nur noch nach unten streckt. wird dadurch feinstes Metall erzeugt. Dieser Draht
ist es, der das Messer sehr, sehr scharf erscheinen lässt. Na prima, dann haben wir doch, was wir wollen!
Leider nein, denn dieser "Draht" ist extrem fein und dadurch nicht stabil. Nach ein paar Schnitten würde dieser "Draht" umklappen und alle Schärfe wäre dahin. Die Spitze ist immer noch da, aber zeigt jetzt nach oben. (Bitte hier ein wenig mikroskopisch denken ;-)
Jetzt beginnt das eigentliche schärfen der Klinge. Wir nehmen jetzt unseren Arkansas.Stein und.... was, Sie haben keinen??? Ebay kann hier sicherlich Abhilfe schaffen ;-)
Ein Arkansas-Schleifstein kann mit einem 8000?er Schleifpapier verglichen werden. Bevor wir ans Werk gehen, bereiten wir den Stein vor. Mit ein paar Tropfen Öl (Es kann hier eigentlich jedes Öl verwendet werden, aber ich bevorzuge das gute alte Balistol-Waffenöl (stinkt wie ein totes Kamel, aber ist einfach spitze))
Nun wird die Klinge im gleichen Winkel (Na, erinnern wir uns noch daran ;-) auf den Stein aufgesetzt und über den Stein gestrichen. Hier ist die Richtung nicht wichtig - kreisen, ziehen, schieben - hier ist alles erlaubt. Dabei aber immer den Winkel beibehalten.
Was passiert hier nun genau? Zwei wichtige Dinge - als erstes wird der Draht abgeschliffen und die Fase sauber angespitzt. Als zweites wird die raue Oberfläche, die der Lansky auf der Fase hinterlassen hat, geglättet und die Klinge kann somit sauber durch das Schnittgut gleiten.
Nach ca. 30 min Arkansas-Einsatz haben wir ein sehr scharfes Messer in Händen, mit dem wir uns die Haare vom Unterarm rasieren können. Als absoluter Schleifmaniac gehe ich aber noch einen Schritt weiter und bringe einen Lederstreifen zum Einsatz. Sicherlich ist Ihnen das Bild vom Barbier bekannt, der sein Rasiermesser über den  ederriemen zieht, bevor er dem Kunden ins Ohr säbelt. Dieser Lederriemen ist nun unser 12000?er! Schleifpapier. Ich habe mir ein Stück Leder mit der rauen Seite (Als die Seite, auf der das Tier war ;-) nach oben über ein kleines Stück Holz (8-10cm breit) gespannt. Dieses Leder beträufle ich mit etwas Polierpaste. Man kann auch handelsüblichen KFZ-Lackreiniger verwenden - Achtung, auf keinen Fall KFZ-Poliermittel verwenden, denn das bringt gar nichts. Doch, eines passiert doch - Sie können das Leder wegwerfen ;-)
Jetzt wird es gaaaanz ruhig und wir senken unsere Stimme bis zum andächtigem Schweigen - Das Licht wird ein wenig abgedunkelt und schicksalsverheissende Musik untermalt die knisternde Stimmung. (Alternativ kann auch ein alter melancholischer Stehgeiger benutzt werden) -> Das Finish!!!
Langsam wird die Klinge wieder im gleichen Winkel mit sanftem Druck über das Leder gezogen. Das Leder gleitet dabei in Richtung Fase und die Klinge wird bei jedem Strich weniger Wiederstand bieten. Man kann förmlich fühlen, wie die Fase auf Hochglanz poliert wird.
Wenn Sie diese Arbeiten alle gewissenhaft ausführen, dann können Sie jetzt mit Ihrem Messer jedem OP-Arzt beeindrucken.
Man kann jetzt natürlich sagen, dass es übertrieben ist, ein Messer so zeitintensiv zu bearbeiten. Sicherlich kann man auch mit einem weniger scharfen Messer die meissten Dinge sauber zerteilen, aber es ist ein schönes Gefühl, wenn eine Klinge durch langsames und bedächtiges arbeiten immer schärfer wird. Es kann süchtig machen, wenn man verschiedene Steine probiert und neue Arbeitsweisen testet. Meine Ausführungen veranschaulichen ja nur die Grundsätze des Schleifens und vielleicht finden Sie für sich eine andere Methode.
Ach ja, hier nun der ultimative Test, dem ich jedes bearbeitete Messer unterziehe. Legen, oder besser, befestigen Sie das Messer mit dem Rücken auf einer Tischplatte und lassen Sie die Klinge über den Rand überstehen. Nehmen Sie nun ein DIN-A4 Blatt, halten Sie es ca. 30cm über der Klinge und lassen es fallen...
 Oft gibt mir einer "meiner" Sammler ein Messer mit dem Hinweis:"Achtung, es ist sehr scharf". Wenn ich den oben beschriebenen Test durchführe, wird in das Blatt  ediglich eine kleine Delle eingedrückt, bevor es zu Boden fällt. Ihr geschliffenes Messer wird aber einen mehrere Zentimeter tiefen, sauberen Schnitt im
Papier hinterlassen. Nur das Gewicht von wenigen Gramm genügt, um zu schneiden.
Jedes Messer, das diesen Test nicht zu erfüllen vermag, bezeichne ich als Kinder-/ und Jugendmesser ;-)
Um aus dem Messer ein universal einsetzbares Arbeitstier zu machen, kann es jetzt über einen Wetzstahl gezogen werden. Es wird dabei eine Microzahnung
aufgebracht, die beim schneiden von weichem Material hilfreich ist. (Stichwort: Brotmesser)
Allerdings ist dann Schluss mit dem spektakulärem abrasieren der Unterarmhaare ;-)
Hier ist rumprobieren angesagt.
Herzliche Grüße
Manfred Wager