Dienstag, 7. Oktober 2014

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„EIN GUTER VERKÄUFER DENKT IM KUNDENKOPF“

Interview mit Helmut Seßler, Verkaufsexperte

Bauchgefühl ist gut, auf gleicher Wellenlänge mit den Kunden schwingen besser. Wie man dieses Etappenziel erreicht, ist eine der Kernexpertisen von Helmut Seßler, der seit über 20 Jahren erfolgreich als Verkaufstrainer und -Ausbilder im Einsatz ist. Die von ihm gegründete und geführte INtem Gruppe, Mannheim, heimste zahlreiche Auszeichnungen ein. Insbesondere für effektive und innovative Aus- und Weiterbildung. Zum Kundenkreis zählen Verkäufer, Vertriebsleiter, Führungskräfte namhafter Unternehmen sowie angehende Verkaufstrainer. 

Aktuell macht Seßler mit einer Premiere von sich reden. Sein im Mai veröffentlichtes Buch Limbic Sales® integriert erstmals neurowissenschaftliche Erkenntnisse in den realen Verkaufsprozess. Denn, wie der Autor betont: „Es nutzt ja nichts, diese hohen und toll ausgedrückten Erkenntnisse zu haben, wenn ich sie in der Praxis nicht brauche.“ Worte, denen bereits weitere Taten gefolgt sind. Seit kurzem bietet INtem auch das Limbic® Sales Training an, eine Kooperation mit dem Neuromarketing-Experten und geistigen Vater der Limbic® Map, Dr. Hans-Georg Häusel. 

Helmut Seßler zählt zu den renommiertesten Verkaufstrainern Deutschlands und nutzt neurowissenschaftliche Erkenntnisse, um den Verkaufsprozess zu optimieren. 
Multisense Institut: Mit Limbic® Sales machen Sie neurowissenschaftliche Erkenntnisse für den Verkaufsprozess fruchtbar. Im Blickpunkt: der emotional entscheidende Mensch. Gute Verkäufer mögen einwenden, dass sie ihre Kunden immer schon emotional ansprechen. Welchen Unterschied machen wissenschaftliche Erkenntnisse versus Bauchgefühl?

Helmut Seßler: Früher dachte man, es gäbe ein „Bauch-Gehirn“, aber das hat sich als falsch herausgestellt. Zwar wird bei emotionaler Erregung mehr Blut durch den Organismus gepumpt, darum kribbelt es auch im Bauch, was man wiederum als Bauchgefühl wahrnimmt – aber das Bauchgefühl sitzt eigentlich im Gehirn.

Bevor eine Information unser Großhirn erreicht, muss es das limbische System – unsere emotionale Zentrale – passieren. Dort wacht ein Türsteher, der entscheidet, was durchgelassen wird. Und das ist wiederum davon abhängig, wie ein Mensch emotional gepolt ist. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass es drei Grundtypen gibt. Sie werden grob aufgeteilt in Stimulanz-, Dominanz- und Sicherheits- bzw. Balancetyp. Der letzt genannte Bereich ist noch mal zweigeteilt in Menschen, denen vor allem Zahlen und Belege wichtig sind, und Menschen, für die der soziale Kontext an erster Stelle kommt. 

Übertragen auf die Verkaufspraxis – ich spreche immer von 1:1, dem natürlichen Gespräch – agiert der Verkäufer aus dem Bauch heraus, sprich, nach eigenem Gefühl. Und damit trifft er auch, freut sich, wenn er jemanden „toll abgeholt“ hat, aber damit hat er noch lange nicht verkauft. Insofern heißt die Antwort: Wenn ich weiß, was dieser Türsteher bei welcher Person durchlässt, kann ich sie emotional wirklich erreichen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse helfen also, mehr Sicherheit für die emotionale Ansprache zu bekommen. 

Wie Sie auch in Ihrem Buch erwähnen, gibt es viele psychologische und soziologische Modelle, die auch für die Zielgruppendefinition genutzt werden. Warum ist Limbic® aus Ihrer Sicht besser als andere Ansätze für den Verkauf geeignet?

Es gibt Methoden in Hülle und Fülle, aber häufig decken sie nicht den gesamten Motiv- und Werteraum ab, der allerdings die Grundlage unseres Handelns bildet. Die von Dr. Häusel entwickelte Limbic® Map ordnet den oben erwähnten Grundtypen verschiedene Werte und Motive zu – das ist mehr als eines der herkömmlichen Verhaltensmodelle leistet – und von entscheidender Bedeutung: Denn Motivation entsteht erst dann, wenn ich etwas, das für mich wertig ist, erreichen bzw. besitzen möchte. 

Der für mich interessanteste Aspekt ist: Wenn ich weiß, welche Werte jemand hat, weiß ich auch, was für ein Typ er ist. Oder andersherum: Wenn ich weiß, welcher Typ jemand ist, kann ich schon vorahnen, welche Wertestruktur er hat und differenzierter darauf eingehen. Das ist für mich der Vorteil dieses Modells: mit gezielten Fragen noch stärker die Werte meines Gegenübers avancieren zu können. 

Wie erkennt man, dass ein Kunde z.B. vor allem vom Stimulanz-System geleitet wird, und wie swingt man sich im Verkaufsgespräch auf diesen Typus ein?

Erste Zuordnungen kann ich natürlich über den äußeren Ausdruck bzw. Eindruck vornehmen. Jemand, der kreativ, neugierig, trendorientiert ist, kommt beispielsweise nicht mit Krawatte und Hut. Der Balance-Typ trägt eher klassische Sachen, der Dominanztyp z.B. Manschettenknöpfe, Rolex usw. Das gibt ein erstes kleines Bild, das natürlich auch täuschen kann – denken Sie z.B. an jemanden im schwarzen Anzug und mit roter Krawatte, der könnte sowohl ein Dominanz- als auch ein Mischtyp sein. 

Kleidung, Bewegung, Sprechgeschwindigkeit – all das sind Hinweise, aber am besten höre ich den Typus aus dem Wording heraus. Ein Beispiel: Wenn mir jemand erzählt, Neuromarketing sei ein toller neuer Ansatz, gehe leicht von der Hand, helfe, mehr zu verkaufen usw. – dann höre ich: „leicht“, „mehr“, „neu“, ein Wording, das eher den Stimulanztypus charakterisiert. Stellt er hingegen die wissenschaftliche Absicherung heraus, nennt Studien und Zahlen, spricht das sicherheitsorientierte Balancesystem aus ihm. Und der dritte betont, dass Neuromarketing die Dinge auf den Punkt bringe, nach Schulung direkt einsetzbar sei, umgehend schnellere und bessere Verkaufserfolge erziele. Das sind typische Aussagen aus dem Dominanz-Bereich: „schnell“, „exakt“, „Power“, „machen“! Das heißt, zu bestimmten Motiv- und Wertebereichen gehören auch gewisse Worte, Verben und Adjektive. 

Insofern ist es sehr spannend, sich einfach mal wieder anzugewöhnen, Fragen zu stellen und wirklich hin- und zuzuhören bzw. hineinzuhören. Verkäufer wissen eigentlich, wie wichtig das ist und dass sie 70/80 Prozent zuhören, 20/30 Prozent präsentieren sollten, machen es oft aber genau umgekehrt. 

Sie betonen, wie wichtig die Selbsterkenntnis ist, um sich auf andere einstellen zu können. Aus Ihrer langjährigen Erfahrung: mit die schwierigste Übung?

Ja, das ist wirklich die schwierigste Übung, aber auch mit die interessanteste. Die Menschen in unseren Seminaren sind ja offen und lernbereit. Und sie lernen tatsächlich, ihr Gegenüber spiegeln zu können und ihn damit zu erreichen. „Spiegeln“ ist ein Ausdruck aus der Psychologie, die NLPler nennen es „Rapport“, und Prof. Joachim Bauer, Neurobiologe und Psychotherapeut, erklärt die Spiegelneuronen als Basis dieser Fähigkeit. Wir spüren, was der andere macht und können entsprechend darauf reagieren, ihn also spiegeln. Alles meint das gleiche. 

Wenn ich unbewusst agiere, mich nicht kenne und womöglich schlecht drauf bin und so auf einen Kunden zugehe, dann spürt dieser auch ohne Worte, was mit mir los ist. Führt man den Menschen solche oder andere nicht unbedingt verkaufsfördernde Verhaltensweisen vor Augen und analysiert gemeinsam die Situation, verstehen sie auch, warum und ändern etwas. 

Und darum ist es auch entscheidend, dass ich erst einmal mit mir selbst gut umgehe. Dass ich weiß, wer ich bin. Antworten auf die Frage habe: Welche Wert- und Glaubenssätze muss und will ich im Verkauf leben, und nicht nur dort, sondern generell in meinem Leben? Denn das prägt natürlich mein Auftreten, und zwar mein nonverbales. Botschaften werden zu fast 90 Prozent nonverbal übertragen. Extrem hohe Werte! Entscheidend ist nicht nur, „was“ ich sage, sondern „wie“ ich es sage und wie dieses „was“ beim Gegenüber ankommt. Den höchsten Lerneffekt erzielen wir immer, wenn die Seminarteilnehmer verstanden haben, wie wichtig es ist, in die Welt des Menschen vis-a-vis zu kommen.

„Den höchsten Lerneffekt erzielen wir immer, wenn die Seminarteilnehmer verstanden haben, wie wichtig es ist, in die Welt des Menschen vis-a-vis zu kommen.“
Kundenkontakt auf Augenhöhe – verständnisvoll-einfühlsame Beratung statt zahlengetriebener Verkauf?

Ja, es geht nicht darum, etwas zu verkaufen. Wir möchten ja auch nichts verkauft bekommen. Es geht um Einkaufen. Und wir sind der wichtigste Faktor, dass der Kunde so einkauft, wie es ihm zusteht. Ich bin ein Einkaufsberater und möchte niemanden über den Tisch ziehen. Mit dem Limbic® Konzept kann ich zudem besser erkennen, welche Werte und Motive mein Kunde hat, was er erreichen möchte. Und das geben wir ihm. Denn dann hat er eingekauft und ich habe ihm geholfen,
richtig einzukaufen. 

Kann man Empathie lernen?

Der Begriff Empathie ist sehr breit angelegt. Für unseren Bereich ist weniger die Bedeutung relevant, du musst alle Menschen mögen, mitleiden, dich mit freuen, sondern Empathie im Verkauf heißt, dass ich versuche, mich in die Welt des anderen hineinzudenken, -spüren, -hören, -fühlen usw., um herauszufinden, worum es ihm geht, was er gerne hätte. Das können Sie lernen und trainieren, aber unter der großen Voraussetzung, dass Sie Menschen mögen, offen sind, Freude am Kontakt haben. Ein solch extrovertierter Mensch lernt Verkaufen vielleicht ganz leicht. Ein introvertierter Mensch würde sich wesentlich schwerer tun. 

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Ansprache verschiedener Sinne im Verkaufsprozess?

Eine entscheidende, denn wir nehmen unsere Welt hauptsächlich über die fünf Sinne wahr – also müssen diese auch bei Verkaufsgesprächen emotional aufgeladen werden. Während der eine Kunde Bilder zum besseren Verständnis braucht, will der andere etwas hören, um sich seine Meinung zu bilden; wieder andere müssen etwas spüren und anfassen oder – je nach Produkt – riechen und schmecken, um sich von der Qualität zu überzeugen. Kennen wir den bevorzugten Sinneskanal unseres Kunden, können wir ihn für unsere Hauptbotschaften aktivieren. Ansonsten empfiehlt es sich, möglichst viele Sinne anzusprechen, denn das führt zur multisensorischen Verstärkung: Unser Gehirn hat in vielen Millionen Jahren gelernt, dass Ereignisse bzw. Botschaften, die sich kongruent und zeitgleich über mehrere Sinneskanäle ankündigen, besonders wichtig sind. Entsprechend reagiert es mit einem neuronalen Feuerwerk, das die Wahrnehmung bis auf das Zehnfache erhöhen kann.

Ist Verkaufen schwieriger geworden? Immer wieder wird betont, dass die modernen Konsumenten besonders kritisch, anspruchsvoll und hybrid sind, zudem regiert aufgrund veränderter Rahmenbedingungen häufiger der Sparstift ...

Jein. Was hybride Kunden betrifft: Man war schon vor 30 Jahren in Aufruhr, weil der Porschefahrer 911 beim Aldi Champagner kaufte. Heute ist der Kunde gänzlich hybrid. Man kann ihn nicht mehr zuordnen. 

Aber grundsätzlich höre ich seit 40 Jahren, dass früher alles viel einfacher war. Nein, ich glaube nicht, dass es schwieriger geworden ist, sondern dass es anders geworden ist. Der Kunde ist mündiger. Das sehen Sie auch an mir. Bevor ich etwas kaufe, schaue ich noch schnell mal ins Internet. Allerdings kaufe ich oft klassisch. Zum Vergleich: Mein Sohn kauft heute schon dauernd im Internet. Also muss man unterscheiden: Auch wenn ich mich heute einfacher und besser informieren kann, kaufe ich immer noch im Geschäft. Der Verkäufer muss dann allerdings vorbereiteter als früher sein. Er sollte z.B. wissen, was im Internet steht. Auf diesen Punkt muss man reagieren. 

Grundsätzlich denke ich, der Markt wird sich teilen. Handelt es sich um einfache bzw. Standardprodukte, bestelle ich im Internet. Dafür muss man nicht viel tun und wird entsprechend faul. Aber es wird nach wie vor auch viele erklärungsbedürftige Produkte geben, für die ich Ansprechpartner brauche. Im Bereich Fachgeschäfte zeichnet sich allerdings eine Tendenz ab, sich zunächst ausführlich beim Spezialisten zu informieren, um anschließend beim Discounter zu kaufen. Dazu wird es die Variation geben, dass man sich im Geschäft schlau macht und dann im Internet nach dem günstigsten Angebot sucht. 

Vor diesem Hintergrund wird es immer wichtiger, die Kunden passend zu ihren Motiven zu beraten, sie so emotional zu erreichen und einen Beziehungsgrund zu stiften. Denn damit bindet man den Kunden, so dass er auch eine Entscheidung trifft und kauft. Tue ich das nicht, kauft er stattdessen vielleicht im Internet. 

Wie würden Sie einen Top-Verkäufer beschreiben?

Aus der beziehungsorientierten Perspektive ist der Topverkäufer derjenige, der verschiedene Beziehungen aufbauen kann, unabhängig davon, welcher limbische Typus beim Kunden – in der Situation – dominiert. Das macht Beziehungsmanagement aus und nicht, wie so oft falsch verstanden, dass man ein toller Mensch und Kumpel ist, vielleicht abends noch zusammen einen Wein trinken geht. 

Die guten Verkäufer, die ich kenne, sagen nicht nur, dass sie tolerant sind, sie sind es auch. Sie lassen die Meinung eines anderen stehen und gelten. Ich muss verstehen, dass es unterschiedliche Menschen auf dieser Welt gibt: eher dominante oder neugierige, eher ausgeglichene oder sicherheitsorientierte usw. usf. Wenn ich das weiß und mich in den unterschiedlichen Gruppen entsprechend bewege und verhalte, habe ich alles, was ich brauche. Ein guter Verkäufer denkt – wie ich – im Kundenkopf. 

Das Interview führte Sabine Wegner, Chefredakteurin Multisense Institut. 



-> Hier finden Sie weitere Infos zu Limbic® Sales >> Literaturempfehlung

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